Vor ein paar Tagen haben Sie, fast zeitgleich mit den Abstimmungsunterlagen, eine "Schweizerische Abstimmungszeitung" erhalten, die ziemlich offiziell daherkam. In Wirklichkeit handelte es sich dabei um eine professionelle Abstimmungswerbung für den Autobahnausbau. Wie die schon frühzeitig geschalteten, attraktiven Plakate auf den ersten Blick sehr überzeugend, was bei einem Werbebudget von über 4 Millionen auch zu erwarten ist. Das macht allerdings die Argumente nicht glaubwürdiger. Der Reihe nach:
Staustunden: Wer also über die unproduktiven Staustunden jammert, soll mal die ebenso unproduktiven Fahrstunden aufrechnen. Ein einziges Mal habe ich es mir angetan, den Arbeitsweg nach Cham mit dem Auto zu begehen. Über eine Stunde unproduktive Fahr- und Stauzeit. Da ist öV die weitaus smartere Variante: Bis Zürich Hardbrücke die Zeitung gelesen, ab dann in der S5 online am MacBook. Am Zielort vorbereitet für den Arbeitstag.
Mehr Strassen = Mehr Verkehr: Auch wenn die "Abstimmungszeitung" dies bestreitet, es stimmt. Bei der damaligen Kapazitätserweiterung Grauholz warnten die Gegner bereits davor, dass sich der Verkehr zuerst in die Stadt Bern verlagern und mittelfristig auch beim Grauholz wieder zu Stau führen werde. Man glaubte ihnen nicht. Heute will man jenen Abschnitt wiederum erweitern. Bei Zürich's Gubrist wurde letztes Jahr eine dritte Röhre fertiggestellt. Mit aktuell 115'000 Fahrzeugen pro Tag kann man die Prognosen erahnen.
Agglomerationsverkehr entlasten: Ein naiver Wunschtraum, denn der zunehmende Verkehr auf den Nationalstrassen wird über die Quartiere zu- und abgeführt. Kein Weg von A nach B startet oder endet auf der Autobahn. Im Pendlerverkehr sind von 10 Fahrzeugen mindestens 9 mit einer Person besetzt. Eine einzige S-Bahn ersetzt somit über 5 Km Stau. So entlastet man den Agglomerationsverkehr effektiv.
Verlorenes Kulturland: Ob es bei den angesagten acht Hektaren bleibt, ist mehr als fraglich. Wo man die Landfläche hernehmen will, die man den betroffenen Bauern als Ersatz vergüten soll, ebenso. Würde dann Bauland umgezont? Bei der Biodiversitäts-Initiative war das Wehklagen um die verlorenen Fruchtfolgeflächen ohrenbetäubend. Gehen die Fruchtfolgeflächen für Strassenbau drauf, so scheint das die Bauernverbände nicht zu berühren.
Kosten: Nach aktualisierter Schätzung sollen sich die Kosten nunmehr auf 5.8 Milliarden belaufen. Zwar ist der Fonds zweckgebunden, nur schliesst dieser den Unterhalt der bestehenden Strassen mit ein.
Nur eines stimmt: Man soll die Strasse nicht gegen die Schiene ausspielen. Wenn die Strasse nur genutzt wird, wo Alternativen fehlen, dann bieten unsere Strassen genügend Platz für alle. Und die kollektive Produktivität steigt. Aus diesem Grund stimme ich mit Überzeugung NEIN zum Autobahnausbau und danke Ihnen, wenn Sie dies auch tun.
Hanspeter Hubmann, Grossrat SP, Schneisingen